Mausebande Wiki

Kastration von einzelnen Farbmausböckchen

:!: Einen Artikel zur Kastration von ganzen Bockgruppen finden Sie hier.

Vorab

In vielen Tierheimen und Notfallstationen sitzen unkastrierte Farbmausböcke oft in Einzelhaft, da sie sich dauerhaft mit ihren Brüdern zerstritten und verbissen haben, oder sie werden wegen des deutlichen Eigengeruches dort abgegeben. Auch kommt es des öfteren vor, dass gutgläubig ein oder zwei Einzelböcke in einer Zoohandlung erstanden wurden- zuhause wird dann schnell klar, dass die Tiere sich dauerhaft nicht vertragen und wegen Beisserei getrennt werden müssen.
In beiden Fällen steht der Halter also vor der Entscheidung, den einzelsitzenden Bock kastrieren zu lassen, um ihm dauerhaft wieder Gesellschaft bieten zu können, denn: Eine Vergesellschaftung von unkastrierten Böcken untereinander ist wegen Revierverhalten nicht möglich, ebensowenig mit Damen, da es dann zu Nachwuchs kommen würde! Auch kastrierte Böcke untereinander zur vergesellschaften, gehört ausschließlich in erfahrene Mäusehalterhände!
Bleibt also nur die Möglichkeit, dem Mäuserich wieder Damen zur Gesellschaft zu geben, indem er kastriert wird und eine Quarantäne von einigen Wochen absitzt, bis er keine Restspermien mehr vorhanden sind. Durch die Kastration wird also verhindert, dass unerwünschter Nachwuchs entsteht. Mäusemännchen hören auf, ihre Duftmarken zu setzen, werden ruhiger und friedliebender. Häufig ist ein Kastrat der Ruhepol in einer reinen Weibchengruppe und „beglückt“ die Damen, so diese es wünschen. Ob Kastraten fett und träge werden, hängt zum einen von den Genen der Maus und zum anderen von der Ernährung und der vorhandenen Bewegungsfreiheit ab.

Eine Kastration ist keineswegs ein harmloser Eingriff, hier entscheidet die Erfahrung des Arztes und vor allem die richtige Narkose oft über Leben und Tod.

Die zu kastrierende Maus sollte mindestens 10-12 Wochen alt, aber nicht älter als 13 Monate sein und dabei ein Gewicht von 30 g oder mehr aufweisen. Bei Tierheimtieren ist das genaue Alter oft unbekannt. Hier muss der Tierarzt im Einzelfall entscheiden, ob er ein Böckchen noch für kastrabel hält. Das Operationsrisiko muss in diesem Fall gegen die Aussicht auf lebenslange Einsamkeit, die dem Tier bei Unterlassen der Kastration droht, abgewägt werden.

Vor der Operation

Böcke vor der Kastration Da Mäuse sich nicht übergeben können, dürfen sie bis bis kurz vor der OP bzw. bis kurz vor der Narkose fressen. Sie sollten es sogar!
Also Futter und für den Durst nach der OP etwas Grünes wie z.B. Salatgurke (geschält) in der Transportbox mitgeben. Wassernäpfe sind für den Transport nicht geeignet, da sie schnell umfallen, oder die Mäuse ihren Zellstoff darin „einweichen“ und somit alles einnässen.
Die Transportbox sollte mit Zellstoff (Küchenrolle und zerrissenes Toilettenpapier) und einem Häuschen zum Verkriechen ausgestattet sein. Ebenso sollten Sie den Käfig des Tieres schon mit Zellstoff auslegen, damit das Tier nach der Operation direkt wieder in seine gewohnte Umgebung kann. Wegen der Infektionsgefahr der OP-Wunde muss für eine Woche auf normale Einstreu verzichtet werden!
Ein verantwortungsvoller Tierarzt wird Ihr Tier direkt vor dem Eingriff gründlich untersuchen, d.h. eine Inaugenscheinnahme von Fell, Hoden, Augen vornehmen. Ausserdem wird er Ihr Tier wiegen und es auf Atem- und Herzgeräusche abhorchen.

Die Injektionsnarkose

Genitalbereich Farbmausbock vor der Kastration Die Injektionsnarkose ist bei der Kastration eines kleinen Tieres wie einer Maus nicht zu empfehlen, da diese Art der Narkose fast immer kreislaufdepressiv (Herz und Kreislauf belastend) ist und die Nachschlafzeit sehr lange dauert. Da man bei einem Tier mit einem so schnellen Stoffwechsel die Narkose so kurz wie möglich halten sollte ist dies ein manchmal alles entscheidender großer Nachteil.

Ist durch die Injektion erst einmal das Narkosemittel in den Körper gelangt, kann man es in seiner Stärke und Wirkung nicht mehr beeinflussen, was ein zusätzliches Risiko darstellt.

Der Vollständigkeithalber sei gesagt: Es gibt Tierärzte, die mit dieser Methode sehr große Erfolge aufweisen. Bei entsprechender Erfahrung und ausreichend hoher Erfolgsquote kann auch diese Methode angewendet werden. Häufig wird den Tieren zum Aufwachen nach der Kastration ein „Anti-Dot“- ein Aufwachmittel- gespritzt, das die Gefahren der langen Nachschlafzeit verringert.

Nachtrag 2019: Die moderne Injektionsnarkose (manchmal auch Trippelnarkose genannt) ist schonender und sicherer für Mäuse als die klassische Injektionsnarkose. Es besteht eine bessere Scmerzausschaltung und die Narkosezeit kann genauer gesteuert werden, wodurch die Schlafzeit nur so lange wie nötig andauert. Die Tiere können bereits kurz nach dem Aufwachen wieder Nahrung aufnehmen. Dank moderner Veterinärmedizin wird das Kastrationsrisiko für Böckchen somit immer geringer.

Die Inhalationsnarkose

Bei der Inhalationsnarkose kann während der Narkose permanent die Gaskonzentration sowie die Narkosetiefe beeinflusst werden, so dass nie eine Überdosierung entstehen kann.

Bei der Wahl des Narkosegases sollte man Isofloran den Vorzug geben, da es weder kreislaufdepressiv noch lebertoxisch ist.

Von anderen Narkosegasen wie Halothan oder Oxifloran, die im Gegensatz zu Isofloran lebertoxisch sind, ist abzuraten. Sie vermindern den Abbau des Mittels über die Leber, wodurch eine Leberschädigung verursacht werden kann.

Die Operation

Farbmausbock mit frischer Kastrationsnaht Üblich und bewährt ist folgende Vorgehensweise:

  • Untersuchung der Maus
  • Die Maus wird mit Isofloran (Narkosegas) in Narkose gelegt.
  • Bei langfelligen Mäusen wird das Haar am Hoden zurückgeschnitten, bei kurzhaarigen nicht.
  • Hodensäcke desinfizieren, mit kleinem Schnitt eröffnen, die Hoden hervordrücken, abbinden, abtrennen.
  • Beide Hodensäcke mit wenigen Stichen vernähen.
  • Silberspray auf die Hodensäcke sprühen.

Insgesamt dauert die Kastration nur wenige Minuten, die Mäuse liegen also nur wenige Minuten in Narkose. Die meisten Mäuse sind Minuten nach der Kastration wieder völlig fit und laufen umher. Es ist aber auch normal, wenn frischkastrierte Tiere den restlichen Tag den Narkoserausch ausschlafen.

Wärmehaushalt

Während und nach der Kastration ist unbedingt darauf zu achten, dass das Risiko einer Unterkühlung verhindert wird. Deshalb wird die Maus schon während der Operation auf eine Heizmatte gelegt, auf der sie bis zum völligen Erwachen bleiben sollte. Vorsichtshalber sollte man auch noch beim Heimtransport auf eine warme Unterlage achten.

Durch die Narkose wird die Temperaturregelung des Körpers vermindert, was bei einem so kleinen Tier wie einer Maus schnell zu einer Unterkühlung führen kann.

Durch diesen Verlust der Körpertemperatur wird der Abbau des Narkosemittels im Körper des Tieres verlangsamt, was zu einer verlängerten und unnötig vertieften Narkose führen kann.

Zusätzlich kann man dem Tier vor und nach der Operation eine Zuckerlösung zur Stärkung des Kreislaufs als Infusion verabreichen.

Nach der Operation

Wichtig wird es, wenn man die Maus wieder abholt: Nach einer Operation ist der Kreislauf sehr schlecht, daher muß man unbedingt darauf achten, dass es die Maus warm hat und nicht auskühlt- auch nicht während des Transportes!

Daheim sollte man bereits den Käfig vorbereitet haben: Alle Streu, Heu und Stroh entfernen und den Käfig stattdessen mit Zellstoff (Küchenrollen- und/oder Toilettenpapier) befüllen.

Auch zu Hause sollte man darauf achten, dass der Käfig bzw. die Maus noch warm gehalten wird; dies kann man mit einer Wärmflasche oder einer Heizdecke (niedrigste Stufe), unter dem Käfig gelegt, versuchen. Auch eine Rotlichtlampe (für ausreichend Abstand sorgen!) kann hervorragende Dienste leisten.

Das Anbieten von Trinkwasser mit etwas Traubenzucker kann dem Tier helfen, seinen Kreislauf wieder in Schwung zu bekommen.
:!: Manche Tierärzte spritzen dem Mäuserich als Prophylaxe gegen eine Entzündung direkt ein Antibiotikum. Klären Sie dies schon vor der Operation! Ihr Tierarzt wird Ihnen sagen, wie lange und wie oft Sie das Antibiotikum nach der Kastration noch geben müssen.

Weitere Nachsorge

Beobachten Sie Ihren Kastraten gut: setzt er normal Kot und Urin ab? Frisst und trinkt er? Zeigt er Anzeichen von Schmerzen? Wie verläuft die Wundheilung? Unregelmäßigkeiten bei den Ausscheidungen, Schwellungen oder gar Eiter, der aus der Operationswunde austritt, sind unverzüglich dem behandelnden Tierarzt vorzustellen! An einer unbehandelten Entzündung zu sterben, wäre ein besonders „unfairer“ Tod für den frisch kastrierten Bock, der doch eigentlich endlich wieder Gesellschaft bekommen sollte.
Zur Nachsorge sollte man die Maus noch ca. eine Woche auf Zellstoff (Küchenrolle, Papiertaschentücher, unparfümiertes unbedrucktes Klopapier) halten, um die Infektionsgefahr durch Einstreu, Heu oder Stroh zu minimieren.
Die Fäden der Kastrationswunde lösen sich in den meisten Fällen von selbst auf oder werden nach einigen Tagen von der Maus abgeknabbert.
Nach 4 Wochen sind keine Restspermien mehr vorhanden und man kann den Kastraten mit einem oder mehreren Weibchen zusammensetzen, ohne unerwünschten Nachwuchs befürchten zu müssen.

Zum Schluss

All dies mag sich erschreckend anhören, aber ein erfahrener Arzt oder eine gute Tierklinik, die richtige Narkosemethode sowie umfassende Vor- und Nachsorge verringern das Risiko weitgehend.
Alle hier beschriebenen Methoden und Vorsichtsmaßnahmen kann bzw. sollte man vor jeder Operation mit dem Tierarzt besprechen und abklären. Scheuen Sie sich nicht, Ihren Tierarzt konkret nach seinen genauen Operationsmethoden und seiner Erfolgsquote zu fragen!

Eine Kastration kostet je nach Tierarzt zwischen 20 und 60€.

Trotzdem ist wie bei allen Operationen - ob bei Mensch oder Tier - immer ein Risiko gegeben. Dies sollte man nicht vergessen. Die Erfahrung vieler Mäusehalter hat jedoch gezeigt, dass bei Kastrationen eine Erfolgsquote von erfreulichen 95% zu verzeichnen ist.

:!: Tierarztempfehlungen gibt es im Forum/Support-Bereich/Tierarztsuche.

Autorin: Inge Rogalla, Ergänzungen von Ungehorsam